Bei Tierschützern herrscht dicke Luft

Langwierige Verhandlungen haben keine einvernehmliche Lösung gebracht: Nach 15 Jahren Zusammenarbeit ist das Ende der bisherigen Tierschutzkooperation besiegelt. Mit Kommentar


13. Juli 2016
Von SUSANN SCHÖNFELDER  
                          

 

Der Göppinger Tierschutzverein – hier ein Bild vom Sommerfest Anfang Juni – hat nach 15 Jahren die Kooperation mit dem Katzenschutz Göppingen-Donzdorf und dem Tierschutzverein Geislingen-Türkheim beendet.                                                                                                                © Foto: Staufenpress

Bei den Tierschützern im Kreis Göppingen brennt die Luft. Für Wirbel sorgt der Austritt der Göppinger aus einer langjährigen Kooperation,  die Partner sind sauer. „Wir wären innerhalb der Kooperation nicht überlebensfähig. Das ist eine alternativlose Sache“, sagt Dr. Peter Rolf und macht damit die Tragweite der Entscheidung deutlich. Nach 15 Jahren Zusammenarbeit mit dem Katzenschutz Göppingen-Donzdorf und dem Tierschutzverein Geislingen hat der Tierschutzverein Göppingen und Umgebung seinen Rückzug aus der Tierschutzkooperation im Landkreis bekannt gegeben. Die Kündigung ging am Montag per Einschreiben an die bisherigen Partner, bestätigt Peter Rolf, Vorsitzender des Göppinger Tierschutzvereins. Nun müsse noch geprüft werden, wie schnell der Austritt möglich sei, dann werden die Göppinger ihre eigenen Wege gehen.

Hintergrund dieses Schritts sei die Fundtierversorgung beziehungsweise dessen Finanzierung und personeller Aufwand. Ziel der Kooperation sei es gewesen, die Betreuung der in Not geratenen Hunde, Katzen und Kleintiere sicherzustellen und ein einheitlicher Ansprechpartner für die Gemeinden im Kreis zu sein, erklärt Rolf. Im Gegenzug zahlten die 38 Kommunen einen kleinen Anteil aus der Hundesteuer, der unter den drei Vereinen aufgeteilt wurde. „Diese Zuschüsse wurden aber innerhalb der Kooperation nicht aufwandsgerecht verteilt, dadurch ist der Tierschutzverein Göppingen finanziell stark benachteiligt“, meint dessen Vorsitzender. „Fast alle Hunde, Wildtiere und die allermeisten Kleintiere werden bei uns versorgt“, was ein enormer Aufwand sei, der nicht ausschließlich mit Ehrenamtlichen zu stemmen sei. Der Tierschutzverein Göppingen ist Arbeitgeber für sieben Mitarbeiter, die sich im Schichtbetrieb um die Tiere kümmern. „Für diese Mitarbeiter tragen wir Verantwortung“, betont Rolf.

Kostenstruktur der Vereine "nicht klar"

Eine Lösung innerhalb der Kooperation, mit der alle drei Vereine hätten leben können, sei nicht gefunden worden – trotz langwieriger Verhandlungen. „Es gab keine Transparenz“, sagt Rolf, der um Sachlichkeit bemüht ist. „Um einen neuen Verteilerschlüssel zu erarbeiten, hätte die Kostenstruktur der anderen Vereine klar sein müssen.“ Der Ausweg sei letztlich nur die Kündigung gewesen: „Es geht um die Existenz des Göppinger Tierheims“, macht der Vereinsvorsitzende deutlich. Die Kooperation habe „unnötig Bürokratie und keine Vorteile gebracht“.

Beim Katzenschutz Göppingen-Donzdorf und beim Tierschutzverein Geislingen-Türkheim ruft der Ausstieg alles andere als Begeisterung hervor. Überraschend sei die Kündigung nicht gekommen, meint Carl Friedrich Giese, Vorsitzender des Katzenschutzes, der in Personalunion auch Geschäftsführender Vorsitzender der Tierschutzkooperation ist. Überrascht habe ihn jedoch, dass der gesamte Göppinger Vorstand „eine solche Entscheidung seines ,Neuvorsitzenden’ mitgetragen hat“. Giese und auch sein Geislinger Kollege Hans-Georg Hoffmann glauben nicht, dass alle Mitglieder des Gremiums „die ganze Tragweite dieses Beschlusses wirklich begriffen haben“. Sie fragen sich: „Ist es nun mutig – oder vielleicht doch fahrlässig – wenn der, noch nicht mal ein Jahr amtierende Jungstar des Göppinger Vorstandes die Errungenschaften von 15 Jahren erfolgreicher Tierschutzarbeit im Landkreis einfach über Bord wirft?“

"Alle Protokolle offenlegen"

Giese ärgert sich, dass Rolf verlangt habe, alle Protokolle und Kontobewegungen der vergangenen 15 Jahren offenzulegen: „Dabei haben alle Kooperationspartner alle Unterlagen in dieser Zeit erhalten.“ Er sieht die Hauptursache für die Differenzen darin, „dass das Tierheim Göppingen im Verhältnis mehr Geld ausgibt als die beiden anderen Vereine“. Für Giese ist klar: Wenn ein Tierheim 100 Katzen versorgt und ein anderes sich ebenfalls um 100 Tiere kümmert, „dann bekommen beide dasselbe ,Leistungsentgelt’, weil sie auch dieselbe Leistung erbringen“. Er widerspricht damit Rolf, der den Aufwand für die Versorgung von Hunden deutlich höher bewertet. Das größte Tierheim im Kreis – vom Katzenschutz in Donzdorf – werde von einem Verein geführt, „der nur das Geld ausgibt, das er wirklich hat“, betont Giese. Der Verein beschäftige acht Mitarbeiter und damit mehr als der Göppinger.

Der Katzenschutz-Chef weist darauf hin, dass die Pauschale der Kommunen nicht für die Versorgung von Wildtieren gedacht sei – für die die Göppinger jedoch „mehrere Tausend Euro pro Jahr“ ausgäben. Den Verteilerschlüssel des Gemeinde-Obolus’ findet er gerechtfertigt – gemessen an den jeweiligen Fundtierzahlen.

Der Göppinger Vereinschef Peter Rolf blickt nach vorn – und das optimistisch: Es stehe nun jeder Gemeinde frei, einen Einzelvertrag mit dem Vertragspartner ihrer Wahl zu schließen – so wie das bundesweit bei Tierschutzvereinen praktiziert werde. Einig sind sich Rolf, Giese und Hoffmann lediglich darin, dass die Zuschüsse der Kommunen längst nicht ausreichen und erhöht werden müssten.

Was die Verhandlungen bringen, wird sich zeigen: Giese und sein Geislinger Kollege Hoffmann halten den Austritt der Göppinger zum jetzigen Zeitpunkt für „obsolet“, da die Gespräche mit den Gemeinden noch aktiv geführt würden und der alte Vertrag zum Jahresende auslaufe. Das „Konsenspotenzial“ mit den Bürgermeistern sei groß, „deshalb erscheint mir die Göppinger ,Hauruck-Aktion’ zu diesem Zeitpunkt höchst unprofessionell“, kritisiert Giese. „Die kommunalen Oberhäupter lassen sich auf keine ,Luftnummer’ ein.“

Ein Kommentar von Helge Thiele: Tiefe Gräben

Jedem der drei Partner der bisherigen Tierschutzkooperation im Landkreis sei unterstellt, dass es ihm allein um das Wohl der Tiere geht. Gleichwohl haben die Erfahrungen aus der Vergangenheit gezeigt: Tierschutz ist ein hoch emotionales Thema. Nicht selten gab es unterschiedliche Vorstellungen, oft genug endeten Diskussionen in Streit. Positiv hervorzuheben ist deshalb, dass der Vorsitzende des Tierschutzvereins Göppingen und Umgebung den Schlussstrich unter die bestehende Kooperation ohne schrille Töne und in aller Sachlichkeit gezogen hat. Es geht um die gerechte Verteilung von Steuermitteln. Um eine transparente und faire Lösung, bei der alle drei Kooperationspartner ihren Aufwand und ihre Ausgaben offen legen, war lange gerungen worden. Doch eine Einigung konnte trotz vieler Gespräche nicht erzielt werden. Da ist es nur verständlich und konsequent, wenn ein Partner irgendwann die Reißleine zieht. Der Göppinger Tierschutzverein hatte schon lange moniert, dass man zwar kreisweit die meisten Fundtiere aufnehme, dafür innerhalb der Kooperation aber nicht adäquat entlohnt werde. Diesen Zustand hielt der neue Vorsitzende für nicht länger hinnehmbar. Die vorwurfsvollen Reaktionen der beiden anderen Partnervereine machen deutlich, wie tief die Gräben inzwischen offenbar sind. Jede Gemeinde im Landkreis soll nun künftig ihren Vertragspartner frei wählen können. Wichtig ist, dass dabei das Wohl der Tiere im Vordergrund steht.

Quelle: https://www.swp.de/suedwesten/landkreise/lk-goeppingen/bei-tierschuetzern-herrscht-dicke-luft-22928159.html