Spenden fehlen: Die Krise erwischt die Tierheime

Der Tierschutzverein in Geislingen funkt SOS. Die Einnahmequellen für den Tierheimbetrieb sind fast versiegt, der Einbruch bei den Spenden ist groß

06. April 2020, 18:54 Uhr•Geislingen
Von Jochen Weis (GEISLINGER ZEITUNG)
                     

Im Katzenhaus des Tierheims bei Türkheim (Geislingen) kümmern sich die Helfer des Tierschutzvereins aktuell um 30 Katzen und Kater. Doch die Aufgabe, die Tiere zu versorgen, wird immer schwieriger, weil kaum noch Geld hereinkommt.
© Foto: Markus Sontheimer

Noch, sagt Hans-Georg Hoffmann, läuft der Betrieb im Tierheim des Geislinger Tierschutzvereins. Wohlgemerkt noch, denn die Corona-Krise hat den Geislinger genauso wie viele weitere Vereine landauf, landab voll erwischt. Was fehlt, sind in erster Linie die finanziellen Mittel. Zwar bekommt der Verein pro Jahr rund 23.000 Euro von der Tierschutz-Kooperative des Landkreises. Allerdings deckt das unterm Strich gerade einmal ein Drittel der laufenden Ausgaben. „Um die Dimension zu verdeutlichen: Wir haben schon allein 20.000 Euro Tierarztkosten pro Jahr“, erklärt Hoffmann. Dazu kommen Personalkosten für vier hauptamtliche Mitarbeiter, Kosten für Futter, weiteren Tierbedarf und  Desinfektionsmittel, „für die man gerade das neun- bis zehnfache des üblichen Preises bezahlen muss“, dazu noch die laufenden Unterhaltungskosten fürs Tierheim. „Das heißt, wir brauchen weitere Einnahmen, um das alles stemmen zu können, vor allem Spenden.“ Und die, sagt der Vorsitzende, fallen derzeit nahezu komplett weg.

Futter- und Sachspenden fehlen ebenso

„Wir haben 30 Spendendosen in den Geislinger Geschäften stehen. Aber diese Geschäfte haben fast alle wegen der geltenden           Corona-Verordnung geschlossen.“ Und bei den Futter- und Sachspenden herrscht ebenfalls Flaute, „die Menschen sind im Moment zu sehr mit sich selbst beschäftigt“, konstatiert Hoffmann. Vor allem an  klumpendem Katzenstreu sowie Katzenmilch herrsche aktuell dringender Bedarf.           

Was die Lage für den Tierschutzverein zusätzlich erschwert: Zum einen ist das Albstüble auf Grund der Corona-Verordnung geschlossen, zum anderen ist fraglich, ob der Tierschutzverein in diesem Jahr überhaupt eines seiner Feste – Frühling, Sommer, Herbst – ausrichten kann. „Das Albstüble und die Feste sind weitere wichtige Einnahmequellen für den Verein“, sagt Hoffmann, „außerdem wollen wir dort immer unsere Tiervermittlung publik machen.“

Und genau an dieser Stelle tut sich gleich noch ein weiteres Problem auf, welches die Lage zusätzlich verschärft: „Aktuell ruht           unsere Tiervermittlung komplett“, sagt Hoffmann. Was ebenfalls an den Einschränkungen der Corona-Verordnung liegt. „Eine Vermittlung mit nur zwei involvierten Leuten lässt sich nicht machen“, erklärt der Vorsitzende: „Da sind schon von unserer Seite aus mehrere Mitarbeiter dabei, auf der anderen Seite sollte die gesamte Familie vor Ort sein,  um das Tier kennenzulernen und herauszufinden, ob man zusammenpasst.“           

                                                                                                                                                                                                                  Arbeit unter erschwerten Bedingungen         

Somit ergibt sich auch auf diesem Wege keine Entlastung, im Gegenteil: „Das ist wie bei dem Hund, der sich in den Schwanz beißt“,       sagt Hoffmann. Zumal die Arbeit im Tierheim bei Türkheim ebenso unter verschärften Bedingungen stattfindet. „Wir sind mit reduziertem   Personal zugange und arbeiten in zwei Schichten“, erklärt Hoffmann. Morgens, wenn das Gros der Arbeit ansteht, sind drei Helfer in der   Einrichtung, am Nachmittag dann zwei.          

„Das Ganze ist eine Vorsichtsmaßnahme. Sollte es einen Corona-Fall beim Personal geben, wären wir bei einer anderen Regelung nicht mehr in der Lage, die Tiere zu versorgen.“ Deshalb sind auch schon seit Wochen Besuche im Tierheim verboten, bei den ehrenamtlichen Gassi-Gehern „haben wir uns auf den engsten Kern konzentriert, die wirklich immer kommen, da sind am Tag einer, maximal zwei im Einsatz“.

Wie es nun weitergeht, darüber werde man nach Ostern beraten, sagt Hoffmann. Dann lägen auch die Abrechnungen des vergangenen   Kalenderjahres vor.  „Dann werden wir bilanzieren: Was haben wir, wie lange können wir noch weitermachen?“ Alle nicht notwendigen Aufgaben und Projekte seien bereits gestrichen, dazu zähle auch das neue  Nager-Haus, das der Verein in diesem Jahr in Angriff habe nehmen wollen. Hoffnung, dass es einen staatlichen Rettungsschirm für die Tierschutzvereine geben wird, die – wie Hoffmann betont – dazu beitragen, den im Grundgesetz wie in der Landesverfassung verankerten Auftrag zum Tierschutz zu erfüllen, haben die Geislinger   kaum. „Bislang kann keine Hilfe beantragt werden“, sagt Hoffmann: „Ob der Deutsche Tierschutzbund etwas bewirken kann, ist wohl fraglich. Er hat nicht die große Lobby in der Politik wie zum Beispiel ein Bauernverband.“                                                                              

Droht eine Schwemme an abgegebenen Tieren?                                                                                                                                    Auf jeden Fall dränge die Zeit, betont Hoffmann, da Tierheimen möglicherweise eine Tierschwemme drohe – zum einen durch           Corona-Kranke, die ihre Haustiere zeitweilig nicht mehr versorgen können, zum anderen durch die „irrationale Angst, sich bei seinem Tier mit dem Virus zu infizieren, welches man dann loswerden will“. Was bislang eine Mär sei, die durch die sozialen Medien geistert, könne die Menschen doch irgendwann an­triggern. „Deshalb muss man ganz deutlich sagen: Es gibt keine Fälle, bei denen das Coronavirus von Haustieren auf den Mensch übertragen worden ist.“                     

Info Wer den Geislinger Tierschutzverein unterstützen möchte – finanziell, materiell oder durch einen Patenschaftsvertrag für ein Tier – kann sich melden unter Telefon (07331) 93 17 22 oder E-Mail: vorstand@tierschutz-geislingen.de,                     tierheimleitung@tierschutz-geislingen.de oder vereinsbetreuung@tierschutz-geislingen.de.

Quelle: https://www.swp.de/suedwesten/staedte/geislingen/corona-krise-geislingen-spenden-fehlen_-die-krise-erwischt-die-tierheime-45273597.html