Wegen Corona viele Katzenbabys und Kaninchen    

Tierheime spüren die Auswirkungen der Coronapandemie – auch Zahl der Problemhunde nimmt zu

Von Christoph Schneider

HEROLDSTATT/ALB-DONAU-KREIS

Eine Folge der zurückliegenden Ausgangsbeschränkungen war, dass viele Menschen ein oder mehrere Tiere bei sich aufnahmen Hunde, Katzen oder Kleintiere wie Kaninchen. Aber leider denken nicht alle neuen Tierhalter ihre Entscheidung bis zum Ende, sodass die Tiere dann doch lästig werden und man sich wieder von ihnen trennt. So erleben die Leiter von zwei Tierheimen in Ulm und in Türkheim auf der Alb den „Rücklauf der Coronatiere.“ Hans-Georg Hoffmann ist Vorstand des Tierschutzvereins Geislingen und Umgebung, welcher das Tierheim an der Aufhauser Straße in Türkheim betreibt. Seit April gibt es auch einen Kooperationsvertrag mit der Gemeinde Heroldstatt, sodass das Heim auch Fundtiere aus dieser Gemeinde aufnimmt. Hoffmann ist bestens vernetzt in Tierschutzkreisen und stellt fest: „Es gibt einen Unterschied zwischen Stadt und Land.“

Schon im vergangenen Jahr sei abzusehen gewesen, dass gerade in den Städten die Zahl der Kleintiere in den Haushalten stark zugenommen hatte. Tierhandlungen seien geradezu leer gekauft gewesen, sagt Hoffmann. Deswegen wurde erwartet, dass gerade Tierheime in Städten mit vielen Abgabekaninchen zu rechnen hätten. Der Ulmer Tierheimleiter und Hundetrainer Ralf Peßmann bestätigt das: „Bei uns wurden alleine im ersten Halbjahr 2021 schon so viele Kaninchen abgegeben wie im gesamten Jahr 2020 zusammen.“ Als Abgabegrund werden oft „plötzlich auftretende Allergien“ genannt. Hoffmann erklärt, das Problem auf dem Land seien eher unkastrierte Katzen. Er sagt: „Das Futterangebot während der Coronazeit war sehr gut für die Freigängerkatzen. Schließlich waren viele im Homeoffice und haben eher mal eine Schale für Katzen rausgestellt.“ Und wenn genug Futter da ist, vermehren sich Katzen auch stärker. Dementsprechend werden auch mehr trächtige Fundkatzen beim Tierheim abgegeben. So viele, dass aktuell die Kapazitäten erschöpft sind. So schreibt Hoffmann vor einigen Tagen: „Heute morgen hat eine trächtige Fundkätzin bei uns geworfen. Das Ergebnis: Acht neue kleine Mitbewohner. Damit haben wir alle Kapazitäten ausgeschöpft und müssen nun in den nächsten Tagen mit einer Warteliste arbeiten, weil unsere Pflegestellenplätze ebenso belegt sind.“ Ein anderes Problem, mit dem die Tierheime zu kämpfen haben, sind die Hunde. Es werden zwar nicht unbedingt mehr Hunde als früher abgegeben. Aber es werden überwiegend Hunde mit problematischem Verhalten abgegeben. Das liege einerseits daran, dass Menschen Hunde aufnehmen, deren Anlagen und Verhalten nicht zur Lebensweise der Halter passt. Ralf Peßmann erklärt, dass sich Hüte oder Schutzhunde ohne konsequente Erziehung und adäquate Beschäftigung kaum als Familienhunde eignen. Der Hundetrainer erklärt: „Wenn wir dem Hund keinen Rahmen vorgeben und Entscheidungen für ihn treffen, fängt der Hund an, selbst Entscheidungen für sich und seine Menschen zu treffen.“

Dann könnte es unangenehm werden, wie das Beispiel eines Huskys zeigt, der zum Schluss kam, dass er seine Menschen erziehen muss und dies mit rüden Mitteln wie Knurren und Schnappen. An Erziehung und teils auch Sozialisation mangle es oft auch kleinen Hunden, hat Hans-Georg Hoffmann beobachtet. Oft sei Mensch der Ansicht, dass die meist nur wenige Kilo wiegenden Hunde ja „nichts tun“ und man deswegen auch keine Hundeschule besuchen brauche. „Das Gegenteil ist der Fall. Ich besuche eine Hundeschule, um meinen Hund besser zu verstehen, dass er Sozialverhalten lernt, damit er gar nicht erst Probleme macht“, sagt Hoffmann. Zeige das Tier jedoch unerwünschtes oder aggressives Verhalten und man suche sich erst dann Hilfe, sei es viel schwieriger, dem Hund das Verhalten wieder abzutrainieren. In Türkheim haben sie sich professionelle Hilfe in Person des Bernstadter Hundetrainers Thorsten Behnle geholt. Einen externen Trainer benötigt Ralf Peßmann vom Ulmer Tierheim nicht. Er ist selbst Hundetrainer und er hat „die zweite Chance“ ins Leben gerufen, ein Projekt, dessen Ziel es ist, hochgradig aggressive Hunde wieder alltagstauglich zu bekommen. Peßmann erklärt: „Die Zahl der verhaltensauffälligen Hunde nimmt von Jahr zu Jahr zu. Während früher noch überwiegend Hunde im Tierheim landeten, die ihre Menschen durch Schicksalsschläge verloren hatten, sind es heute zumeist Hunde mit problematischen Verhalten, das durch den Menschen begünstigt wurde.“ Solche Hunde wieder „in die Spur“ zu bekommen ist Ziel des Projekts unter dem Motto „trainieren statt separieren“. Oftmals seien die Mitarbeitenden in Tierheimen nicht ausreichend für den Umgang mit solchen verhaltensauffälligen Tieren ausgebildet und auch nicht ausgerüstet. Hier will Peßmann mit dem Projekt gegensteuern. Inzwischen kann er erfreulicherweise auf mehrere ehrenamtliche Helfer zurückgreifen, denen der Projektleiter die Trainingsmethoden, -techniken sowie Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen nach und nach vermittelt. Denn das Training mit den schwierigen Hunden ist teils langwierig, aber es lohne sich, findet Peßmann. Denn was sei die Alternative? Am Ende in der Regel nur die Tötung des Tieres, das der Mensch zuvor schlecht erzogen und missverstanden hat.

Quelle: Schwäbische Zeitung